Atmen: Eine so natürliche Handlung und doch liegt in ihrem Kern der Weg zur Befreiung, der Schlüssel zur Realität der Existenz. Wie das? Sie liegt im Bereich der Achtsamkeit, wo der Atem nicht nur ein Akt des Überlebens ist, sondern die höchsten Wahrheiten über das Leben und die Existenz verkörpert.
Wenn wir über die Lehre des Buddha über die Achtsamkeit beim Atmen reflektieren, tauchen wir tiefer, unter die Oberfläche. „Wenn ich lange einatme, weiß ich, dass ich lange einatme; wenn ich lange ausatme, weiß ich, dass ich lange ausatme“. Das ist keine Aufforderung, den eigenen Atem zu verändern, sondern eine Einladung, sich mit ihm zu vereinen. Eine Einladung, eine nahtlose Verbindung zwischen Körper, Geist und dem Akt des Atmens zu erleben. Ein Akt, der Körper und Geist zur Ruhe bringt und einen Zustand der Glückseligkeit hervorruft.
Dieser Zustand der Glückseligkeit hat jedoch noch einen anderen Zweck als nur die unmittelbare Freude. Wenn wir atmen und uns in dieser Freude sonnen, beginnen wir, unsere Bewusstseinsfunktion zu nutzen und unsere Achtsamkeit beim Atmen auf verschiedene Zustände und Erkenntnisse zu lenken. Der Atem verwandelt sich so von einem Objekt der Konzentration in ein Werkzeug der Erleuchtung.
Doch was ist diese Erleuchtung? Wo liegt die Verbindung zwischen der Atmung und den Lehren des Buddha? Sie führt uns zu den Konzepten des „Entstehens“ und „Vergehens“. Was entsteht, muss aufhören – eine ultimative Wahrheit, die in jedem Atemzug, den wir machen, enthalten ist. Jeder Atemzug entsteht und vergeht und ist ein Beispiel für die gesamte Existenz. Und in diesem Kreislauf verstehen wir, dass auch das „Selbst“ entsteht und verschwindet.
Diese Unbeständigkeit, dieses Auf und Ab der Existenz, bekommt eine neue Dimension, wenn wir unseren Geist mit unserem Atem synchronisieren. Wir begreifen, dass Anhaftung an irgendetwas aufgrund der Illusion von Dauerhaftigkeit ein Weg zum Leiden ist. Der Prozess des Atmens – in seiner inhärenten Natur des Erscheinens und Verschwindens – lehrt uns die ultimative Realität der Existenz.
Der Kreislauf von Geburt und Tod, der in jedem Atemzug enthalten ist, ist ein Zeugnis für die Vergänglichkeit aller Phänomene – auch des Selbst. Auch die Glückseligkeit, die wir erleben, wenn wir achtsam atmen, kann sich auflösen, was ein Zeichen für die Vergänglichkeit ist. In diesem Zusammenhang ist die Atmung nicht nur eine physiologische Funktion, sondern der Inbegriff der Lehren des Buddha.
Wenn wir unser Verständnis vertiefen, beginnt unsere Praxis des achtsamen Atmens, die Vergänglichkeit von Gedanken, Emotionen und sogar unseres eigenen Geistes zu erhellen. Wir beginnen zu erkennen, dass es keine Nomen gibt, sondern nur Verben. In dieser Erkenntnis steckt eine subtile, tiefe Wahrheit – alles ist im Fluss.
Und es ist dieser ständige Wandel, diese Unbeständigkeit, die wir als physische Realität anerkennen, nicht nur als metaphysisches Konzept. Indem wir über die Unbeständigkeit, das Vergehen, das Aufhören und den Verzicht nachdenken, beginnen wir, das Wesen der Existenz zu begreifen und einen ständigen Prozess des Loslassens zu ermöglichen.
Dieser Akt des Loslassens oder Verzichts basiert jedoch nicht auf religiösen Geboten, sondern entspringt einem tiefen Verständnis der wahren Natur der Existenz. Es geht nicht darum, wegen der Religion loszulassen; es geht darum, loszulassen, weil du wach für die Realität der Existenz bist. Du bist realistisch.
Achtsam zu atmen bedeutet, dass wir unseren Geist kontinuierlich von den Illusionen der Beständigkeit befreien. Die Vergänglichkeit vollständig und bedingungslos zu erkennen und anzunehmen, bedeutet, die ultimative Befreiung zu erlangen – ein Buddha zu sein.
In unserem Atem finden wir einen Spiegel, der die vergängliche Natur unserer Existenz widerspiegelt. Er erinnert uns ständig daran, dass der Lebensrhythmus durch den ewigen Tanz von Entstehen und Vergehen, Erscheinen und Verschwinden, Einatmen und Ausatmen bestimmt ist. In unserem Atem, diesem grundlegenden Akt des Lebens, entdecken wir die tiefe Realität des Lebens selbst.